1. Arbeitsverträge mit «digitaler» Unterschrift
a. Herausforderung für Arbeitsrechtler in Unternehmen (Hier: Pharmaindustrie)
Im Rahmen der Digitalisierung prüft ein Unternehmen, inwieweit die Möglichkeit besteht, bei Arbeitsverträgen statt mit Originalunterschriften mit eingescannten Unterschriften zu arbeiten. Klar ist, dass dies bei bestimmten Vertragstypen (befristete Verträge, Ausbildungsverträge) von Gesetzes wegen nicht möglich ist bzw. ein erheblichen rechtliches Risiko birgt. Bei tariflichen Arbeitnehmern geht - jedenfalls hier - der einschlägige MTV davon aus, dass es einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt, anderenfalls ist das Arbeitsverhältnis schriftlich zu bestätigen. Eine genauere Vorgabe besteht nicht.
b. Nicht gelöste Fragen und Hürden für den Arbeitsrechtler im Unternehmen sind:
- Wie erlangt die Unternehmenspraxis Rechtssicherheit bei Arbeitsverträgen, die nicht mehr mit einer Originalunterschrift vom Arbeitgeber versehen werden?
- Ist etwa die Befristung auf das Renteneintrittsalter in einem ausschließlich digital abgezeichneten Arbeitsvertrag hinfällig, wenn es zB keine begleitende Betriebsvereinbarung gibt?
- Als Folgeschritt stellt sich in der Praxis die Frage, wie mit diesen Originalverträgen (mit Unterschrift des Mitarbeiters) verfahren wird. Oft ist das Scannen des Vertrages für die digitale Personalakte Standard. Was aber hat dann mit dem Originalvertrag zu geschehen: Wird dieser archiviert (weil er es muss) oder kann dieser nach dem Scannen vernichtet werden?
2. Betriebsratsbeschlüsse per Online- oder Videokonferenzen
a. Herausforderung für Arbeitsrechtler in Unternehmen (Hier: Medizintechnik)
Die Unternehmensrealität zeigt eine so gen. Flächenorganisation, etwa mit bundesweit aufgestellten Vertriebs- und Serviceeinheiten. Häufig sind zeitnah Betriebsratsbeschlüsse herbeizuführen, für die bis dato jeweils eine Sondersitzung einberufen werden muss, die wiederum erhebliche Reise- und Zeitaufwände der aus dem gesamten Bundesgebiet anreisenden BR-Mitglieder nach sich zieht. § 33 Abs. 1 BetrVG verlangt für die wirksame Beschlussfassung die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder. Folglich müssen die den Beschluss fassenden Mitglieder körperlich anwesend sein, also gemeinsam in einem Raum zusammentreffen.
Das Unternehmen möchte im Rahmen der Digitalisierung verschiedener externer wie interner Prozesse, dafür sorgen, dass – etwa weil es auch die interne Geschäftsordnung des Betriebsratsgremiums dies vorsieht, Betriebsräte auch in Online- oder Videokonferenzen (Bsp.: "Skype for Business") einen wirksamen, rechtsicheren Beschluss fassen können.
b. Nicht gelöste Fragen und Hürden für den Arbeitsrechtler im Unternehmen sind:
- Ist es möglich, dass Betriebsräte wirksame Beschlüsse per Online- oder Videokonferenzen fassen?
Eine Beschlussfassung per Videokonferenz könnte gleichfalls gewährleisten, dass die BR-Mitglieder persönlich anwesend sind, auch wenn sie sich nicht gemeinsam in einem Raum befinden. Durch die Möglichkeit, sich gegenseitig nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, kann gewährleistet werden, dass die Betriebsratsmitglieder zu einer Beschlussfassung sachgerecht und intensiv beraten können. Bisher sieht das Gesetz dieses "Format" der Beschlussfassung allerdings nicht vor.
Dieses Thema ist für alle überregionalen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien praxisrelevant. Gesamt- und Konzernbetriebsräte setzen sich häufig aus Mitgliedern aus ganz Deutschland zusammen und können nur wenige Regeltermine vereinbaren, in denen eine Beschlussfassung möglich ist. Dies kann Mitbestimmungsprozesse und damit die Umsetzung unternehmerischer Vorhaben ganz erheblich verlangsamen, was in internationalen Konzernen auch zu Lasten deutscher Standortentscheidungen gehen kann.
3. Digitalisierung aller Arbeitsprozesse (Gesamtprojekt)
a. Herausforderung für Arbeitsrechtler in Unternehmen (Hier: Logistikindustrie)
Unser Unternehmen befindet sich inmitten der Umsetzung eines breit angelegten Prozesses zur Digitalisierung möglichst vieler Arbeitsprozesse. Sofern möglich, sollen sämtliche Prozesse im Arbeitsablauf digitalisiert werden; zudem wird das papierlose Büro forciert. Jeder Mitarbeiter erhält als Ausstattung ein mobiles Endgerät. Dazu erhalten viele Fachexperten und Spezialisten ein Smartphone. Kollektivrechtlich planen wir ein sog. "FlexOffice", d.h., bestimmte Mitarbeiter können von wo auch immer arbeiten. Die Zeiten von Arbeit und Freizeit verschwimmen dadurch. Bewerbungsgespräche werden via Skype oder anderer Videotelefonie geführt. Dies soll auch auf Wunsch der Unternehmensleitung für BR-Sitzungen eingeführt werden. Dieser Prozess wirft eine Unmenge an Fragen in der betrieblichen Praxis auf.
b. Nicht gelöste Fragen und Hürden für den Arbeitsrechtler im Unternehmen sind:
- Ruhepausen und Arbeitszeit vs. Benutzung von Smartphones (nach Bedarf und auf Wunsch der Mitarbeiter): Welche Regelungen sind in welcher Form "richtig"?
- BR-Sitzungen und Beschlussfassung per Videokonferenz: Wie ist eine zeitgemäße Beschlussfassung ohne das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit – auch zur Erleichterung der Arbeit der Betriebsräte – machbar, wenn das Gesetz die persönliche Anwesenheit erfordert?
- Mitbestimmung des BR bei Technischen Einrichtungen: Theoretisch ist jede Software und jedes Softwareupdate heutzutage dazu geeignet, MA zu überwachen (schon durch an- und abmelden), was die gesetzliche Mitbestimmung auslöst. Selbst die Betriebsräte fordern eine Arbeitserleichterung, wenn der EDV-Rahmen einmal steht: Wie kann die Praxis hier pragmatischer arbeiten?
- Arbeitsstättenverordnung vs Homeoffice: Es soll – theoretisch – immer und überall gearbeitet werden können; die Mitarbeiter sollen/wollen aufgrund der persönlichen Tages- und Wochenplanung möglichst viel Flexibilität etwa zur Vereinbarung von Familien und Beruf erhalten. Wie soll dieser "Wunsch" mithilfe der aktuellen Gesetzeslage umgesetzt werden?
- Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit: Der Ansatz der Vertrauensarbeitszeit fördert nicht nur die Arbeitsmotivation und hebt die Mündigkeit der Mitarbeiter hervor. Entgegen stehen dem Ansatz die umfangreichen Dokumentationspflichten, die das Gesetz vorschreibt. Ist also keine Vertrauensarbeitszeit seitens des Gesetzgebers gewünscht?
- 6-Tage Wochen vs. Sonntagsarbeit: Weil der Mitarbeiter – auch das Betriebsratsmitglied – am Freitag bereits mittags die Kinder von der betreuenden Einrichtung abholt/abholen muss, findet die Vorbereitung auf eine Besprechung am Montag am Sonntag statt. Die entsprechenden Zuschläge sind nicht mehr zeitgemäß.
4. Verwertung von Daten aus sozialen Medien im Kündigungsschutzprozess
a. Herausforderung für Arbeitsrechtler in Unternehmen (Hier: Hotel- und Gaststättengewerbe)
Innerhalb der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens wurden die sozialen Medien für alle Arbeitnehmer geöffnet, eingeführt und angewendet. Allerdings ohne vorherige Definition des Nutzungsverhaltens innerhalb einer erzwingbaren GBV. Einzelne Arbeitnehmer beginnen nun, die sozialen Medien zu "missbrauchen".
b. Nicht gelöste Fragen und Hürden für den Arbeitsrechtler im Unternehmen sind:
- Wie kann dieses Verhalten in einen möglichen Kündigungsschutzprozess beispielsweise wegen verhaltensbedingter Kündigung einführt werden?
Zunehmend fordern anwaltliche Interessenvertreter des (G)BR ein Beweisverwertungsverbot etwa innerhalb einer Klausel zur elektronischen Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Dies ist gemäß der Rechtsprechung eigentlich nicht erzwingbar. Wie geht die Rechtsprechung künftig mit solchen Beweisverwertungsverboten um? Einhellige Rechtsprechung oder gar ein Gesetz fehlen.